Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2024 kommt es auf Basis der entsprechenden EU-Richtlinie (RL (EU) 2020/285) zu wesentlichen Änderungen bei der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung ab 2025. Neben Änderungen des nationalen Schwellenwertes und der Toleranzgrenze können erstmals auch Unternehmen, die ihren Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben, die Kleinunternehmerbefreiung in Anspruch nehmen. Die Änderungen sollen ab dem 1. Jänner 2025 in Kraft treten.
Änderung des nationalen Schwellenwertes
Der maßgebliche Grenzwert für die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung liegt mit der bisherigen gesetzlichen Regelung bis Ende 2024 bei EUR 35.000 netto pro Jahr, hinzu kommt die fiktiv zu ermittelnde Umsatzsteuer. Die möglichen Bruttoeinnahmen reichen somit je nach anwendbarem USt-Satz von EUR 38.500 (bei 10%-USt) bis hin zu EUR 42.000 (bei 20%-USt).
Ab 2025 wird der gesetzliche Schwellenwert als Bruttowert bestimmt und auf EUR 55.000 brutto angehoben. Die im Abgabenänderungsgesetz enthaltene Umsatzgrenze in Höhe von EUR 42.000 brutto wurde noch vor Inkrafttreten durch das Progressionsabgeltungsgesetz 2025 auf EUR 55.000 brutto erhöht.
Für die Ermittlung der Kleinunternehmergrenze müssen alle im Inland steuerbaren Umsätze (B2B und B2C und inklusive innergemeinschaftliche Lieferungen und innergemeinschaftliches Verbringen) berücksichtigt werden. Nicht einbezogen werden müssen Reverse-Charge-Eingangsrechnungen und innergemeinschaftliche Erwerbe, Umsätze aus Hilfsgeschäften und Geschäftsveräußerungen sowie bestimmte andere unecht steuerbefreite Umsätze.
Neuregelung der Toleranzgrenze
Bis Ende 2024 durfte die Toleranzgrenze innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren einmalig um höchstens 15% überschritten werden, bei Überschreiten dieser sind dann alle Umsätze dieses Jahres (rückwirkend) steuerpflichtig.
Ab dem Jahr 2025 können die Einnahmen entweder im Vorjahr insgesamt oder im laufenden Jahr um nicht mehr als 10% überschritten werden, um die Steuerfreiheit für diese Zeiträume in Anspruch zu nehmen. Steuerpflichtig abzurechnen sind dann erst alle nachfolgend ausgeführten Umsätze (sowie auch jener Umsatz, mit dem die 10%-Toleranzgrenze überschritten wird). Die bisherigen Brutto-Umsätze des laufenden Jahres bleiben somit bis zum Überschreiten der 10%-Toleranzgrenze (unecht) steuerbefreit. Aus der Inanspruchnahme der neuen Toleranzgrenze bis zu 10% resultiert aufgrund des Überschreitens des Schwellenwertes von EUR 55.000 brutto allerdings jedenfalls eine Umsatzsteuerpflicht im folgenden Jahr.
Kleinbetragsrechnung
Unternehmer, die die neue Kleinunternehmerbefreiung bis EUR 55.000 brutto ab 2025 in Anspruch nehmen, können künftig unabhängig vom Rechnungsbetrag Rechnungen in der vereinfachten Form einer Kleinbetragsrechnung ausstellen. Das war bisher nur für Rechnungen gestattet, deren Gesamtbetrag nicht mehr als EUR 400 betrug.
EU-Kleinunternehmerbefreiung für in der EU umsatzsteuerlich ansässige Unternehmer
Bisher war die nationale Kleinunternehmerbefreiung auf Unternehmen beschränkt, die von Österreich aus betrieben werden. Umsatzsteuerpflichtige Tätigkeiten in anderen EU-Mitgliedsstaaten erforderten in der Regel eine aufwändige Registrierung und eine Melde- und Abfuhrverpflichtung für das österr. Unternehmen im anderen Staat, sofern nicht das OSS-Verfahren (One-Stop-Shop) zur Anwendung gelangte.
Ab 2025 kann die nationale Kleinunternehmerbefreiung („inbound“) nunmehr auch von Unternehmen („EU-Kleinunternehmer“) aus anderen EU-Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden. Dafür gelten folgende Voraussetzungen:
Beantragung der Kleinunternehmerbefreiung für Österreich im jeweiligen Ansässigkeitsstaat.
Einhaltung des Schwellenwertes von EUR 55.000 brutto (mit max. 10% Toleranz) in Österreich.
Der unionsweite Jahresumsatz im Vorjahr sowie im laufenden Jahr darf den Betrag von EUR 100.000 (ohne Toleranzgrenze!) nicht überschreiten.
Für österreichische Kleinunternehmer, welche die EU-Kleinunternehmerbefreiung in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten („outbound“) in Anspruch nehmen wollen, gilt:
Der EU-Kleinunternehmer muss im Ansässigkeitsstaat vorab die Kleinunternehmerregelung für den jeweiligen EU-Mitgliedstaat beantragen.
Der österreichische und auch der nationale Schwellenwert für die Kleinunternehmerbefreiung im jeweiligen Mitgliedsstaat wird nicht überschritten. Letzterer kann vom österr. Schwellenwert abweichen.
Der unionsweite Jahresumsatz im Vorjahr sowie im laufenden Jahr darf in Summe den Betrag von EUR 100.000 (ohne Toleranzgrenze!) nicht überschreiten.
Weitere Voraussetzung für die zuvor genannten Gestaltungsmöglichkeiten ist natürlich, dass der jeweilige EU-Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer tätig wird, die EU-Kleinunternehmerregelung im innerstaatlichen Recht entsprechend umgesetzt hat.
Unionsumsätze sind alle in der EU steuerbaren Lieferungen und sonstigen Leistungen. Umsätze mit Leistungsort in einem Drittland sind nicht einzubeziehen.
Nach Antragstellung in Österreich im Rahmen des Sonderverfahrens nach Art. 6a UStG erhält das Unternehmen eine spezielle Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mit dem Zusatz „-EX“ (EX-ID). Im Drittland ansässige Unternehmer können die EU-Kleinunternehmerbefreiung (auch nicht durch eine feste Niederlassung in der EU) nicht in Anspruch nehmen.
Meldepflichten
Zur Überwachung der befreiten Unionsumsätze sind alle Umsätze des EU-Kleinunternehmers, die in den einzelnen Mitgliedstaaten in einem Kalendervierteljahr erzielt wurden, per Quartalsmeldung bis Ende des Folgemonats über das jeweilige Portal einzureichen. Für Österreich wir das BMF ein entsprechendes Portal für dieses Sonderverfahren (Antragstellung und Meldungen) neu einrichten.
Bei Nichteinreichung oder unvollständiger bzw. unrichtiger Meldung, setzt das Finanzamt die Umsatzsteuer für die in Österreich ausgeführten Umsätze fest.
Im Falle der Überschreitung der befreiten Unionsumsätze von EUR 100.000, muss innerhalb von 15 Tagen eine Überschreitungsmeldung eingereicht werden. Wird diese nicht abgegeben, obwohl der unionsweite Jahresumsatz überschritten wurde, erfolgt der amtswegige Ausschluss von der Befreiung. Der Ausschluss gilt ab dem Zeitpunkt, ab dem die Voraussetzungen für die Inanspruchnahmen der Regelung für EU-Kleinunternehmer nicht mehr erfüllt sind.
Wenn für acht Kalendervierteljahre keine Quartalsmeldungen abgegeben wurden, gehen die Behörden davon aus, dass der Unternehmer seine Tätigkeit eingestellt hat. In diesem Fall soll ebenfalls ein amtswegiger Ausschluss erfolgen. Die freiwillige Beendigung der Inanspruchnahme der EU-Kleinunternehmerbefreiung ist jederzeit über das elektronische Portal möglich.
Optionale Umsatzsteuerpflicht
In Österreich ansässige Unternehmer können weiterhin mittels einer beim Finanzamt einzureichenden Erklärung auf die Umsatzsteuerbefreiung für Kleinunternehmer verzichten und so zur Regelbesteuerung in der Umsatzsteuer in Österreich wechseln. Der Verzicht auf die Befreiung bindet den Unternehmer im Inland für fünf Jahre. Trotz des Verzichts auf die Befreiung in Österreich, kann ein in Österreich ansässiger Unternehmer - bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen - die EU-Kleinunternehmerbefreiung in anderen EU-Mitgliedstaaten in Anspruch nehmen.
Unternehmer können aber auch auf die Inanspruchnahme der EU-Kleinunternehmerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat verzichten. Dafür ist das Sonderverfahren entweder zu beenden bzw. über die Aktualisierung der Kleinunternehmer-Identifikationsnummer den jeweiligen Mitgliedsstaat von der Inanspruchnahme der EU-Kleinunternehmerregelung ausschließen.
Vorsteuerabzug und Kleinunternehmerbefreiung
Im Rahmen der Kleinunternehmerbefreiung besteht aufgrund der unechten Steuerbefreiung und somit außerhalb der Regelbesteuerung kein Recht auf den Vorsteuerabzug. Für den Fall, dass ein Unternehmer in Österreich steuerpflichtige Umsätze erzielt und gleichzeitig die EU-Kleinunternehmerregelung in einem anderen EU-Mitgliedstaat nützt, steht für die diesen ausländischen Umsätzen zuordenbaren bzw. dienenden Vorleistungen kein Vorsteuerabzug zu.
Praktische Anwendung der nationalen Kleinunternehmerregelung bzw. EU-Kleinunternehmerregelung
Grenzüberschreitende Umsätze österreichische Kleinunternehmer mit Leistungsort im EU-Ausland, sind im jeweiligen Mitgliedstaat steuerpflichtig und zuzüglich ausländischer Umsatzsteuer an die Kunden zu verrechnen, was entsprechende umsatzsteuerliche Registrierungs- und Meldeverpflichtungen im Ausland bzw. alternativ die Anwendung des EU-OSS-Verfahrens zur Folge hat (in der Regel für B2C-Umsätze und Versandhandel).
Im Falle von B2B-Umsätzen wo der Leistungsort regelmäßig (Grundregel) im Ausland liegt, kommt auch für den im Inland ansässigen Kleinunternehmer das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung. In diesem Fall hatte der österreichische Kleinunternehmer schon bisher eine UID-Nummer zu beantragen und die Umsätze in die Zusammenfassende Meldung in Österreich aufnehmen.
Im Falle von grenzüberschreitenden Vorleistungen für österreichische Kleinunternehmer ist die Beantragung einer UID-Nummer in Österreich nach wie vor erforderlich, wenn Lieferungen erfolgen, die zu einer Erwerbsbesteuerung führen (bei Überschreiten oder Verzicht auf die Erwerbsschwelle), oder für erworbene Dienstleistungen, die dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegen. In diesen Fällen ist der österreichische Kleinunternehmer weiterhin zur Übernahme der Steuerschuld bzw. zur Erwerbsbesteuerung mit Abfuhr der entsprechenden Umsatzsteuer in Österreich und ohne Vorsteuerabzug verpflichtet.
Mit der Anwendung des Sonderverfahrens für im Inland ansässige EU-Kleinunternehmer ab 2025 sind die grenzüberschreitenden Umsätze unter Verwendung der speziellen UID (EX-) für EU-Kleinunternehmer und dem Zutreffen der übrigen Voraussetzungen im jeweiligen Mitgliedsstaat dagegen steuerfrei. Die Registrierung im EU-Ausland bzw. die alternative Anwendung des OSS-Verfahrens entfällt, es sind dann allerdings die Quartalsmeldungen für alle Unionsumsätze des EU-Kleinunternehmers zu melden.
Für die praktische Anwendung der Änderungen der nationalen und neuen EU-Kleinunternehmerregelung sowie des neuen BMF-Portals für das Sonderverfahren werden noch entsprechende Beispiele und Klarstellungen der Umsatzsteuerrichtlinien durch den noch in Begutachtung befindlichen Umsatzsteuer-Richtlinien-Wartungserlasses (Stand: 04.11.2024) erwartet.
Für Rückfragen zu den umfangreichen Änderungen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerbefreiung stehen Ihnen unsere Expert:innen Irene Grass und Martin Schmidt gerne zur Verfügung.
Foto: Wixmedien
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